KNIESCHEIBE (PATELLA)
Was ist die Kniescheibe?
Die Kniescheibe (Patella) ist ein scheibenförmiger Knochen, der als Hypomochlion (Drehpunkt eines Hebels) zwischen der Quadrizepssehne und der Patellarsehne eingelagert ist und so zu einer massiven Kraftersparnis beim Strecken des Beines führt. Dadurch entstehen hohe Druckbelastungen unter der Kniescheibe, die langfristig zu Abnützungen führen.
KNIESCHEIBENVERRENKUNG (PATELLALUXATION)
Wie kommt es zu einer Kniescheibenverrenkung?
Normalerweise gleitet die Kniescheibe in einer V-förmigen Rinne zwischen den beiden Oberschenkelrollen. Insbesondere die hohe äußere Wand verhindert die Luxation.
Bei einer Kniescheibenverrenkung springt die Kniescheibe aus dieser Rinne zur Außenseite heraus. Gelegentlich hüpft sie spontan auch wieder zurück.
Welche Ursachen für eine Patellaluxation gibt es?
Durch Außenrotation des Unterschenkels und Innendrehung des Oberschenkels bei leicht gebeugtem Knie und gleichzeitiger Anspannung des Oberschenkelmuskels kann es durch eine zusätzliche von innen auf die Kniescheibe wirkende Kraft (Unfall) oder durch Anspannung der vorderen Oberschenkelmuskulatur bei prädisponierenden Faktoren zu einer Verrenkung der Kniescheibe nach außen kommen.
Begünstigende Faktoren sind dabei: X-Beine, Antetorsionsfehler des proximalen Oberschenkels, Innendrehfehler des Unterschenkels, Hochstehen der Patella, eine Bindegewebsschwäche (Marfan Syndrom, Ehler-Danlos Syndrom), eine fehlgeformte Kniescheibe oder eine zu geringe oder fehlende Kniescheibenrinne (Trochleadysplasie).
Welche Folgen sind möglich?
Bei einer Verrenkung der Kniescheibe nach außen reißt die innenseitige Kniescheibenaufhängung (MPFL) ein.
Durch das das Zurückspringen in die angestammte Position kann es zu Knorpelabscherungen an der Kniescheibenrückfläche oder der äußeren Oberschenkelrolle kommen.
Eine chronische Instabilität oder ein falscher Kniescheibenlauf führt langfristig zu einer Arthrose im Gelenk zwischen der Kniescheibe und dem Oberschenkel (Femoropatellargelenk).
Welche Symptome macht eine Kniescheibenverrenkung?
Das Knie wird gebeugt gehalten und die Kniescheibe sitzt außenseitig neben dem Knie.
Die Kniescheibe schnappt entweder von alleine wieder zurück, oder sie wird vom Arzt durch Streckung des Kniegelenkes unter fester Führung und leichtem Druck nach innen wieder reponiert.
Durch die Blutung ins Gelenk kommt es zu einer Schwellung und zu Schmerzen.
Lokal findet sich ein Druckschmerz im Verlauf der inneren Aufhängung der Kniescheibe und an der äußeren Oberschenkelrolle.
Wie diagnostiziert man eine Kniescheibenverrenkung?
Neben den klassischen klinischen Symptomen (Ergussbedingte tanzende Patella, lokalisierter Druckschmerz innen neben der Kniescheibe und außen an der Oberschenkelrolle, Schmerzen beim Verschieben der Kniescheibe nach außen) zeigt eine Röntgenuntersuchung mögliche knöcherne Begleitverletzungen und allfällige anatomische Sonderformen.
Wird der Erguss punktiert, so ist er blutig mit Fettaugen.
Im MRT kann man den Riss des MPFL (innenseitige Kniescheibenfixierung) und die Knochenprellungsherde an der inneren Patellafacette und der Außenseite der Oberschenkelrolle erkennen.
Für chronische Beschwerden sind noch Ganzbeinaufnahmen und CT- Untersuchungen erforderlich, um allfällige Beinachsenfehler, Rotationsfehler und Fehlbildungen der Kniescheibe bzw. der Rinne genau darzustellen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Bei unkomplizierten Kniescheibenverrenkungen und fehlenden prädisponierenden Faktoren ist eine konservative Therapie möglich.
Nach der Reposition der Verrenkung wird der Bluterguss abpunktiert und das Knie mit einer Orthese (Schiene) mit einer Beweglichkeit von 20-40 Grad für 2 Wochen, dann 10-60 Grad für 2 Wochen und 0-90 Grad für weitere 2 Wochen mobilisiert. Eine Teilbelastung für 2 Wochen an Krücken wird empfohlen. Nach 2 Wochen wird mit einer Physiotherapie begonnen.
Bei der ersten Reluxation, oder bei zusätzlichen Risikofaktoren ist die Indikation zur Operation gegeben.
Knorpel-Knochenabsprengungen werden je nach Größe entweder entfernt oder refixiert.
Eine MPFL-Plastik mit einer körpereigenen Sehne (Gracilis-, Semitendinosussehne) verstärkt das gerissene innere Band der Kniescheibe.
Bei anatomischen Besonderheiten muss gemeinsam mit dem Patienten die passende Versorgung gefunden werden.
Wie sieht die Nachbehandlung nach einer MPFL-Plastik aus?
In den ersten 4 Wochen wird eine Schiene mit freier Streckung und einer Beugemöglichkeit von 90 Grad getragen. Eine Schmerzorientierte Belastung ist erlaubt. Ab dem 1. postoperativen Tag können aktive Quadrizepsübungen gemacht werden. Die volle Aktivität ist nach 3 Monaten erlaubt.
KNORPELSCHADEN HINTER DER KNIESCHEIBE (CHONDROPATHIA PATELLAE, RETROPATELLARARTHROSE)
Welche Ursachen gibt es dafür?
Die Ernährung des Knorpels erfolgt durch die Gelenksflüssigkeit mit Hilfe eines Pumpmechanismus.
Sowohl ein zu hoher Anpressdruck, als auch eine Schwäche des Oberschenkelmuskels mit Reduzierung dieses Druckes kann zu einer Degeneration des Knorpels führen.
Aber auch Achsen- oder Rotationsfehler, Fehlbildung der Kniescheibe oder der Gleitrinne und Unfalle können dazu führen.
Welche Folgen sind möglich?
Knorpelschäden werden nach ihrem Schweregrad (nach Outerbridge) eingeteilt:
Grad 1: Der Knorpel ist stellenweise aufgeweicht.
Grad 2: Der Knorpel ist aufgeraut und es zeigen sich teilweise Risse (< 50% der Knorpeldicke)
Grad 3: Es bestehen Risse und Löcher im Knorpel (> 50 % der Knorpeldicke), die aber noch nicht bis zum Knochen reichen.
Chondropathie Grad 4: Die Knorpelschicht fehlt völlig, der darunter liegende Knochen liegt frei.
Langfristig kommt es unbehandelt zu einer Arthrose hinter der Kniescheibe und der Gleitrinne, die sich dann auf das gesamte Kniegelenk ausbreitet.
Welche Symptome macht eine Kniescheibenarthrose?
Der typische Schmerz tritt vorne um die Kniescheibe, besonders beim Stiegen abwärtsgehen, in der tiefen Hocke und bei längerem Sitzen auf.
Oft kann man ein Reiben hinter der Kniescheibe spüren, manchmal sogar hören.
Wie diagnostiziert man eine solche Chondropathie?
Neben den oben beschriebenen Symptomen findet sich gelegentlich eine verschmächtigte vordere Oberschenkelmuskulatur.
Auch das Anpressen und Verschieben der Kniescheibe kann schmerzhaft sein.
In einer Patella-Defilee-Aufnahme (tangentiale Röntgenaufnahme der Kniescheibe in 30, 60 und 90 Grad Beugung) lässt sich der Lauf der Kniescheibe darstellen.
In einer Magnetresonanztomografie lässt sich der Knorpel direkt darstellen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
In den meisten Fällen kommt eine konservative Therapie mit Physiotherapie, Strom- und Ultraschallbehandlungen zur Anwendung.
Kniestrümpfe und Tapeverbände verbessern den Lauf der Patella.
Das Einspritzen von Hyaluronsäurepräparaten kann sich positiv auf das Gleitvermögen auswirken. Auch die Behandlung mit thrombozytenreichem Plasma (ACP) kann helfen.
Speziellen Nahrungsmittelergänzungspräparaten (Chondroitin-, Glucosaminsulfat) wird eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des Knorpels gegen Abnützung nachgesagt.
Eine operative Behandlung ist nur bei 4.gradigen Knorpelschäden, Achsen- oder Rotationsfehlern indiziert und werden individuell den Bedürfnissen des Patienten angepasst.
Auch die Versorgung mit einer Teilprothese für das Gleitlager der Kniescheibe ist möglich.